Zitiert und Kommentiert

Montag, 6. April 2009

Obama, Österreich und die Mauschelei

Das Leben kann schon ungerecht sein. Wär das George W. Bush passiert, wär's womöglich eine Schlagzeile über dessen Unwissenheit und Dummheit wert gewesen. Bei Barack Obama ist es eine unbeachtete Randnotiz:

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He has said throughout his tour of European countries that he had come "to listen, to learn." So an Austrian television reporter took him up on it.

"Mr. President, you said you came here to learn and to listen. So a quite personal question," she asked at his closing news conference Saturday. "What did you learn from your personal talk with the European leaders? And did this change in a certain way your views on Europe and its politics?" [...]

"It was also interesting to see that political interaction in Europe is not that different from the United States Senate," said Obama, a former senator. "There's a lot of - I don't know what the term is in Austrian - wheeling and dealing, and, you know, people are pursuing their interests, and everybody has their own particular issues and their own particular politics."
[1]
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Obama-Gegner - und deutsche Reporter natürlich[2] - spotten nun, dass der Präsident offensichtlich nicht wisse, dass man in Österreich Deutsch spreche.

Also, ich habe kein Problem mit dieser Wortwahl. Mir ist es viel lieber, man spricht von einer "österreichischen Sprache", man weiß, dass in Österreich deutsche Dialekte gesprochen werden, die sich vom so genannten Hochdeutsch deutlich unterscheiden, anstatt dass man als Österreicher, wie es andauernd passiert, auch nach mehreren Gesprächen und wiederholter Korrektur doch immer nur als Deutscher wahrgenommen wird. Was, da gibt es einen Unterschied?

Nicht dass ich argumentieren will, dass Obama das alles weiß. Vielleicht war es einfach ein Versprecher, hätte er "in Austria" gesagt, wär's korrekt gewesen. Vielleicht hat er während (oder bereits vor) seinem Europa-Aufenthalt gelernt, dass auch das kleine Land Österreich ein ausgeprägtes National-Gefühl hat und mitunter empfindlich reagiert, wenn man als Deutscher bezeichnet wird, und vielleicht war er deshalb übervorsichtig. Oder vielleicht hatte er tatsächlich keine Ahnung welche Sprache man in Österreich spricht und sich deshalb für die am naheliegendste Variante "Österreichisch" entschieden. Wie auch immer, es gibt schlimmere Antworten: "There's a lot of - I don't know what the term is in Australian..."

PS: Herr Obama, "dealing and wheeling" würde man ins Deutsche als "intensive Verhandlung", "Geschäftemacherei" oder "Kuhhandel" übersetzen. In Österreich würde man womöglich am ehesten "Mauschelei" dazu sagen. Aber ob Sie die Europäische Politik wirklich so nennen wollen?

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Quellen:
[1] Tom Raum: "White House Notebook. Obama says interesting to find wheeling, dealing happens in Europe, too", auf: startribune.com, 4. April 2009.

[2] "Wie man an den US-Präsidenten herankommt", auf: orf.at, 4. April 2009.

Dienstag, 31. März 2009

Ironie ist...

...wenn ein Medienmogul mit faktischem Fernsehmonopol und ein Neofaschist eine Partei namens "Das Volk der Freiheit" gründen.

Sonntag, 29. März 2009

Fundstück des Tages: Wien vorgestern, gestern - und heute?

Ich bin heute beim Aufräumen auf eine - inzwischen 8 Jahre alte - Abschrift gestoßen. Ein kleiner Denkanstoß, wenn wir heute über Dinge wie "Zuzug", "Ausländer", "Überfremdung" und "Integration" in Österreich bzw. in Wien reden.
WIEN UM 1900, WIEN ZUR JAHRTAUSENDWENDE

Wien um 1900:
Die Stadt hat 1.675.000 Einwohner.
Nur 777.000, weniger als die Hälfte, sind in Wien geboren.
15 Prozent stammen aus den Bundesländern.
Fast eine halbe Million Menschen ist aus Böhmen, Mähren, Galizien und der Bukowina zugewandert.
Diese Gebiete liegen heute in Tschechien, Rumänien, der Ukraine und Polen.
162.500 sind Ausländer (nicht aus der Monarchie).

Wien zur Jahrtausendwende:
Die Stadt hat 1.608.000 Einwohner, 1,3 Mio sind Inländer, 284.690 Ausländer.
Viele haben ihre Wurzeln in Ex-Jugoslawien und der Türkei.
Viele ihrer Kinder sind schon hier geboren.

Quelle: ORF-Text, 3. März 2001, S. 751)

Sonntag, 1. Februar 2009

Grüne Ver(w)irrungen

Es ist schon eine Tragikomödie, die sich da bei den Grünen abspielt. Da entscheidet man sich gerade erst dafür, dass man wohl mehr gewinnen könnte, wenn man von einem "pro-EU"- auf einen "pro-EU-aber"-Kurs umschwenkt. (Warum, ist mir unverständlich. Glaubt man wirklich, mit einem lauen "pro-aber"-Zickzack den hitzigen "aber"-Populisten Konkurrenz machen zu können?) Man entscheidet sich für Lunacek/Lichtenberger statt Voggenhuber. Aber als nun letzterer umschwenkt, doch noch mitmischen will, in der Hoffnung, das Feld von hinten aufrollen zu können, lässt man ihn erst gar nicht. Nicht, dass sich die (grünen) WählerInnen am Ende noch als zu dumm für die neue Parteilinie erweisen und massenhaft pro-EU-isch wählen! Das verstehe wer will...

Donnerstag, 29. Januar 2009

Fundstück der Woche (Narren)

Gut dass ich nicht gewettet habe. Man lese und staune - dieses Mal kein dumpfes rechtspopulistisches Spielen auf den Saiten des Leides. Kein Problemdonnerstag also. Eher ein Lachdonnerstag. Er hat wieder zugeschlagen:

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Die Narren sind los!

In Innsbruck muss eine Mutter mit der Angst leben, dass der Kindesvater eines Tages mit dem Kind verschwindet. In Innsbruck wird eine Jugendliche Opfer einer Vergewaltigungsorgie. In Innsbruck wird ein Minderjähriger verhaftet, der im Verdacht steht ein Seriensextäter zu sein. In Innsbruck zerbrechen sich die Grünen den Kopf, wie sie die Autofahrer überregulieren können. Die Haller Straße darf nur mehr mit Beifahrer befahren werden. Als nächstes darf wohl kein Pkw mehr in die Innenstadt hineinfahren. In der Museumstraße droht eine linke Plattform mit weiteren Demos und Staus. Die Ladenbesitzer müssen nun um ihr Geschäft fürchten. Arbeitnehmer bangen um ihre Jobs. Berufsquerulanten zerbrechen sich die Köpfe, wie sie die Übersiedlung des Rundgemäldes verhindern können. Massenprotestmails an die Tiroler Landesspitzen blockieren den Posteingang. Grün-Aktivisten versenden T-Shirts mit Taliban-Karikaturen und bezeichnen diese Darstellung als "Tiroliban". Es sollen wohl Parallelen zwischen den zahlreichen Terroranschlägen fundamentalistischer Moslems und den Tiroler Freiheitskämpfern von 1809 hergestellt werden. Fraglich ist nur, ob die Angehörigen der tausenden Opfer der Terroranschläge in New York, London und Madrid dies ebenso erheiternd finden? Ein links-alternativer Landtagsabgeordneter bezeichnet auf seiner Homepage Papst Benedikt XVI. als "älteren verklemmten Herrn". Man sieht: Die Narren sind los! Ach ja: Eine Innsbrucker Mutter muss um ihr Kind bangen. Das Vergewaltigungsopfer und der minderjährige Sextäter werden eine psychologische Therapie bekommen. Wobei Letzterer sie gratis erhält.


Quelle: Johann Überbacher: "Die Narren sind los! ", in: Tiroler Woche, 33. Jg., Donnerstag 29. Jänner 2009, S. 3.
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Fantastisch. Ein Genuss das abzutippen. So ein Wust an plumpen Anschüttungen! Da weiß man gar nicht, wo anfangen beim Analysieren bzw. Sich lustig machen. Vielleicht folgt noch was, aber im Moment muss ich das einmal wirken lassen. Kopfschütteln und Grinsen. Einfach fantastisch. Die Krönung. Wahrlich, Sie sind es, Herr Überbacher: Der König der Narren!

Dienstag, 27. Januar 2009

... -problem

Es sind noch zwei Tage bis Donnerstag, bis zum Tiroler Woche-Tag. Diese Mal eine Vorausschau.

Ich würde beinahe wetten, dass - nachdem am Wochenende vier Marrokaner ein Mädchen brutal vergewaltigt haben[1] - das "Marokkanerproblem" einmal mehr der große Aufreger sein wird. (Und ob der Herr JÜ wohl auch dazu kommentieren wird?)

Gestern war zu lesen, dass man nun einen erst 15-jährigen Tiroler als bereits sechsfachen Sexattentäter ausforschen konnte.[2] Wird der Fall wohl eben so groß in der Tiroler Woche erwähnt werden? Wird womöglich auch das Wort "Tirolerproblem" fallen?

Man wird sehen. Es sind ja noch drei Tage bis zum Problem-Tag.

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Quellen:
[1] Thomas Hörmann, Liane Pircher: "Der große Kampf um Sicherheit", in: tt.com, 24. Jänner 2008

[2]"Gesuchter Sex-Täter ausgeforscht - es ist ein erst 15-Jähriger!", tt.com, 26. Jänner 2008
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Sonntag, 18. Januar 2009

Fundstück der Woche (Journalismus?)

Und auch diese Woche stammt das Fundstück aus der Innsbruck-Ausgabe der Tiroler Woche. Ein trauriges Beispiel, wie hierzustadts Journalismus, besser gesagt Meinungsmache, betrieben wird:

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Naht ein Bettleransturm?

Am vergangenen Sonntag belästigte ein aggressiver Bettler die Gottesdienstbesucher der Propsteikirche zu St. Jakob. Für Prälat Florian Huber war dieser Vorfall eher außergewöhnlich.

"In den vergangenen Wochen gab es diesbezüglich keine Probleme, es kann allerdings sein, dass nun wieder vermehrt Bettlergruppen in Innsbruck tätig werden und die Gottesdienstbesucher belästigen", so Prälat Huber, der sich des Leids dieser Menschen vollends bewusst ist. Durch die Bemühungen des Dommesners Michael Felicetti ergriff der mit blauer Wollmütze Bekleidete die Flucht, während Domkurat Monsignore Wolsegger predigte. Martin Kirchler vom Stadtpolizeikommando kann auf Nachfrage Indizien eines neuerlichen Bettleransturms wie im vergangenen Frühsommer in der Stadt nicht erkennen: "Falls es aber eine neuerliche Zunahmen [sic!] gibt, werden wir rasch einschreiten", so Kirchler gegenüber der
Tiroler Woche.

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Quelle: J[ohann] Ü[berbacher]: "Naht ein Bettleransturm?", in: Tiroler Woche, 33. Jg, Donnerstag 15. Jänner 2009, S. 4.
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Ich fasse also zusammen:
  • Vor der Domkirche war an EINEM Sonntag EIN Bettler. Durch die "Bemühungen" des Mesners (um den Bedürftigen oder gegen ihn?) ergriff er das Weite.
  • Der Prälat erklärt, dass es in den vergangenen Wochen keinerlei Probleme gegeben habe. (Dass eine Zunahme möglich ist, nona, die Zukunft kennt nur der Vater im Himmel.
  • Auch die Polizei – die offensichtlich nicht von der Kirche sondern lediglich vom Autor kontaktiert wurde – kann keinerlei Indizien für einen Bettleransturm erkennen.
Summa summarum: Kein Problem vorhanden. Kein Problem in Sicht. Aber was malt die Tiroler Woche an die Wand: "Naht ein Bettleransturm?" Traurig, einfach nur traurig.

Sonntag, 11. Januar 2009

Fundstück der Woche (Sprachkunst)

All zu lange herrschte nun bereits (eigentlich völlig unnötiges) Schweigen in meinem entlaubten Blätterwald. Aber nun hat unser allseits beliebter Herr Johann Überbacher von der Tiroler Woche (siehe 1, 2) - seit Herbst letzten Jahres übrigens mit neuem Foto in sinnierender Intellektuellenpose - wieder ein derartiges Kunstwerk von einem Kommentar geschaffen, dass es schlichtweg mit der Welt geteilt werden muss.

Neben dem Neujahrskonzert inspirierte den anerkannten Musikkritiker die – natürlich völlig aus der Luft gegriffenen – Mutmaßungen der Stadtopposition, die amtierende Innsbrucker Bürgermeisterin Hilde Zach werde wohl ihr Amt dieses Jahr vorzeitig abgeben, auf dass sich ihr Vize, Christoph Platzgummer, bis zu den Gemeinderatswahlen 2012 noch ausreichend etablieren könne. Unerhört! Wo hat es so etwas denn jemals schon gegeben!?

Wie dem auch sei, lest nun selbst Überbachers überwältigende Komposition aus Musik und Politik:

Werke und Gesamtkunstwerk

Am vergangenen Neujahrstag konnten die zahlreichen Besucher des Innsbrucker Neujahrskonzert erleben, dass manche Werke eben besser als andere sind. Richard Strauss und seine Walzerfolge aus "Der Rosenkavalier" schlägt die Cuban Overture von George Gershwin klar. Gershwins "Rhapsody in Blue" steht musikalisch weit über Leonard Bernsteins "On the Town". Da hilft weder ein begabter Dirigent noch ein klangschönes Orchester: Meisterwerke sind rar. In der Musik, wie in der Politik. Ein "Meisterwerk", beinahe Gesamtkunstwerk, ist Hilde Zach. Man kann sie nicht erfinden, sie ist einfach da, und wie. Wenn nun Diskussionen über ihren Rücktritt die Runde machen, kann man nur sagen: "Meisterwerke nehmen so etwas gelassen.


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Quelle: Johann Überbacher: "Werke und Gesamtkunstwerk", in: Tiroler Woche, 33. Jg, Donnerstag 8. Jänner 2009, S. 3.
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Rührend!

Politischer Nachsatz: Hilde Zach erklärte im nebenstehenden Interview (S. 2-3) "Solange ich im Stande bin, 100 Prozent zu geben, wird es keine Veränderungen geben." Auch Überbacher fügte seiner Eloge hinzu: "Zach macht bis 2012 weiter, wenn sie es gesundheitlich schafft. Um ihre Krankheiten macht sie kein Geheimnis."

Ein Schelm, der dabei denkt: Ob sich der Gesundheitszustand der Bürgermeisterin in einigen Monaten wohl auf tragische Weise derart drastisch verschlechtert (etwa von 100 auf 99 Prozent), so dass sich das Kunstwert veranlasst sieht, sich ins wohlverdiente Museum zurückzuziehen?

Freitag, 7. November 2008

Fundstück des Tages (Eurofalle?)

Heute in der Redaktion, beim Überprüfen eines Veranstaltungshinweises gefunden (der Text ist eigentlich irrelevant und wird nur der Vollständigkeit wegen widergegeben, das Fundstück ist der letzte Punkt zum Eintrittspreis):
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Silvester-Klassiker mit Florian Adamski 3x in Tirol
"Same procedure as every year!"
Dinner for one - live auf der Bühne


"Dinner for one" - auch heuer ist der legendäre britische Silvester-Klassiker über das alljährliche Dinner bei Miss Sophie "live" auf der Bühne zu sehen; Am Donnerstag, 28. Dezember im Kolpinghaus Hall, am Freitag, 29. Dezember im Volksspielhaus Kramsach, und am Samstag, 30. Dezember in Hopfgarten (Salvena). Beginn 20 Uhr. Es spielen: Florian Adamski als Butler James und Beate Gruber als Miss Sophie; Regie Pepi Pittl.

Wieder einmal ist es soweit: Miss Sophie hat zu ihrer Geburtstagsfeier geladen - es ist übrigens das 90. Wiegenfest der Hausherrin - und alle lieben Gäste sind gekommen. Besser gesagt: sie sind natürlich nicht gekommen, denn die Teilnehmer des alljährlichen Treffens sind bedauerlicherweise schon seit Jahren verstorben. Und so liegt es wieder an Butler James, die Rollen der Gäste zu übernehmen - und Trinkfestigkeit zu beweisen. Same procedure as every year!

Florian Adamski ist einer der erfolgreichen Newcomer der Tiroler Schauspielszene. Der Kundler wurde in den vergangenen Jahren für seine eigenen Programme mit drei österreichischen Kabarettpreisen ausgezeichnet, stand bei mehreren Spielfilmen vor der Kamera und ist auf verschiedenen Bühnen zu sehen. So etwa bei der Premiere des Felix Mitterer-Stücks "Fleisch", bei Ödon von Horvaths "Glaube Liebe Hoffnung", in der "West Side Story" und zuletzt bei "Viel Lärm um nichts" bei den Vereinigten Bühnen Bozen.
  • "Dinner for one"
  • Do, 28. Dez: Kolpinghaus Hall (VK: Sparkasse Hall)
  • Fr, 29. Dez: Volksspielhaus Kramsach, (VK: Sportcafe im Freizeitzentrum)
  • Sa, 30. Dez: Salvena Hopfgarten (VK: Gemeindeamt, TVB)
  • Beginn: 20 Uhr
  • Eintritt: 9.- österreichische Euro

Quelle: http://www.vero-online.info/page.php?id=317
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Na, da wird es in der Kasse der Veranstalter aber klingeln. Klingeln. Nicht rascheln. Denn für Laien ist wohl kaum ersichtlich, welche Euroscheine österreichisch sind und welche nicht. Also liebe Interessierte, ich rate euch, die vorweihnachtlichen Einkaufsraubzüge dazu zu nützen, ausreichend österreichische Münzen zu sammeln. Deutsche, italienische und andere ausländische Euros werden nicht akzeptiert!

PS: Auch wenn dies im Jahre 2008 natürlich nur mehr ein unglaubwürdiger Scherz ist - scheint ähnliches in den ersten Wochen nach Einführung im Ernst passiert zu sein. Dazu ein Standard Artikel vom 4. Februar 2002, zu finden hier, auf sagen.at, unter "Euro Sagen, Variante II".

Dienstag, 4. November 2008

Wo hört sich der Spaß denn eigentlich auf?

Er ging durch die hiesigen Medien - der Fall des Wiener Straßenbahnfahrers, der am 25. Oktober 2008, einen Tag vor dem österreichischen Nationalfeiertag, seine vermeintlich spaßige Fahrt vom "Führerstand" aus kommentierte und mit "Sieg Heil" abschloss.



Was soll man dazu sagen? Lustig ist das nicht. So einfach wie es scheint, aber auch nicht.

Was den Straßenbahnfahrer betrifft: Wen man sich den Beginn mit dem rollenden "r" anhört, so meine ich, ist unverkennbar, dass er sich ein bisschen von Stermann und Grissemanns "Deutscher Kochschau" inspirieren hat lassen. Er wird sich wohl gedacht haben: "Deren Programm wird gefeiert und alle finden's lustig - also warum sollt ich das nicht auch können?"

Und die Fahrgäste fanden's ja auch lustig. Das ist meiner Meinung nach das erschreckendste an dem Video: Das Publikum johlt ihm zu. Man ermutigt ihn noch, sein "Sieg Heil" stößt auf Gelächter und schrilles Gekreische. Und ja, auch auf einige Buh-Rufe. Das ist das Ermutigende an der Geschichte: Dass es auch Menschen gibt, die Zivilcourage zeigen und sich nicht alles Gefallen lassen, wie der energische ältere Herr, bzw. seine im Hintergrund sprechenden Unterstützer.

Und damit zurück zum Straßenbahnfahrer. Dem dämmerte in dem Moment, wie an seine Miene und seinen eigenen Worten zu entnehmen ist, dass er ein "Dummkopf" war. Und, er entschuldigte sich prompt. Da war es leider schon zu spät. Zu spät hat er realisiert, dass es sein Job ist, eine Straßenbahn zu lenken, und nicht politisch heikle Nazi-Imitationen zum Besten zu geben. (Noch dazu, wo – man muss es sagen – sich seine Begabung sehr in Grenzen hält.) Ein Dummkopf eben.

Sicher: Dummheit schützt vor Strafe nicht. Die Frage ist: Welche Strafe? Die Wiener Linien griffen hart durch und entließen den Straßenbahnfahrer, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Ich frage mich, ob man es nicht bei einer scharfen Ermahnung belassen hätte können, zwecks Nachhaltigkeit am Besten begleitet von ein paar verpflichtenden Geschichtsstunden oder dergleichen. Zumal, wie die Wiener Linien verlautbaren ließen, der Betreffende bisher ein unbescholtenes Blatt gewesen sei. [derstandard.at, 27.10.2008]

Nur damit ich nicht missverstanden werde: Ich halte es für fatal, tatsächlich rechte Übergriffe konstant als nicht ernstzunehmende Dummheit abzutun. Ich halte hartes Durchgreifen durchaus für eine mögliche Art der Reaktion. Dann aber bitte konsequent!

Doch was passiert in Österreich? Die FPÖ präsentierte vor kurzem Martin Graf – der, auch wenn ihm (noch) keine einschlägigen Äußerungen oder Verstöße nachzuweisen sind, definitiv Kontakt mit Exponenten des rechtsextremen Milieus pflegt (um es vorsichtig zu formulieren) – als ihren Kandidaten für das Amt des dritten Nationalratspräsidenten. Nicht zum Spaß, sondern im Ernst.

Die Parlamentsparteien ÖVP, SPÖ und BZÖ johlten nicht vor Begeisterung wie die Fahrgäste der Straßenbahn, sie zuckten lediglich mit den Schultern: Was soll man denn machen? Es sei Konsens, dass das Amt des 3. Nationalratspräsidenten der drittstärksten Partei zustehe. – Das verstehe ich, nur, wenn man schon so konsensorientiert argumentiert, sollte man dann nicht auch im Gegenzug von den jeweiligen Parteien erwarten können, dass sie im Sinne des Konsens akzeptable Kandidaten nominieren? Muss man sich alles gefallen lassen? Wo bleibt die Zivilcourage? - Der einzige Protest, jener von den Grünen – dem energischen älteren Herrn des Parlaments sozusagen – fand keine Unterstützung.

Dementsprechend, wird am 28. Oktober 2008, zwei Tage nach dem Nationalfeiertag, Martin Graf vom österreichischen Parlament mit überwältigender Mehrheit zum dritten Nationalratspräsident gewählt. Ja, nicht nur das. Die Rechten konnten sich ihrer Sache so sicher sein, dass sie an ihrem Revers stolz die blaue Kornblume, das Symbol der Deutschnationalen, trugen. [tt.com, 28.10.2008] Von Spaß kann da schon lange keine Rede mehr sein.

Fazit: Der einsichtige kleine Dummkopf wird gefeuert und der bekennende große Rechte dritter Nationalratspräsident. Da soll man sich auskennen! Und wer wird letztendlich von der Geschichte profitieren? Richtig, die Falschen. Und da wird’s dann erst richtig traurig...

Quote

Wer die Enge seiner Heimat ermessen will, reise. Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte. (Kurt Tucholsky, 1890-1935)

Latest Comments

hm...
du hast recht diesen Text zu Analysieren ist ziemlich...
little brother (Gast) - 2009/01/31 12:15
Hab a no was zum Thema...
Auf den Innsbrucker Vorfall bezogen, heißt das also:...
relationes - 2009/01/27 01:51
hab i no gfunden :)
http://orf.at/090126-34295 /index.html
little brother (Gast) - 2009/01/26 14:39
@ little brother: mehr...
@ little brother: mehr als 1/4 der Österreicher sind...
Zita (Gast) - 2009/01/20 10:09
ahhh
Na den hatte ich tatsächlich nicht mehr in Erinnerung.Na...
little brother (Gast) - 2009/01/20 09:36
LOL. Scharfsinnigst auf...
LOL. Scharfsinnigst auf den Punkt gebracht, little...
relationes - 2009/01/20 03:31
Ja,ja böse Bettler belästigen...
Ja,ja böse Bettler belästigen Kirchenbesucher in dem...
little brother (Gast) - 2009/01/19 23:37

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