Haiders Abgründe

Offenbar hab ich meine Reise ja ideal getimet. Die jüngsten Grauslichkeiten zum Wahlkampfauftakt hab ich noch miterleben müssen, von allem was da noch kommen mag (und sicher wird), werde ich nun wenigstens nur mehr Bruchstücke, und auch die nur aus sicherer Distanz mitbekommen.

Wenn man sich Haiders Aktion vom letzten Wochenende genauer ansieht, ist das ja wieder einmal sensationell. Ganz abgesehen von der alten und an sich schon erbärmlichen Taktik, mit primitiver Ausländerfeindlichkeit um Wählerstimmen zu buhlen, muss man sich die Vorgänge von Freitag bzw. Samstag Nacht (Kurier-Bericht) wirklich auf der Zunge zergehen lassen! Ich fasse - anhand des Berichts "Fekter gegen Haider", in: Tirol am Sonntag, 20. Juli 2008, S. 35 - zusammen:

Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) schickt einen Bus mit sechs Asylwerben von Kärnten los. "Damit hätten vier Männer, eine Frau und ein Kind (5) in das niederösterreichische Flüchtlingslager Traiskirchen gebracht werden sollen. Haider wollte, wie er sagt, auf diese Weise 'eine Reihe von strafffällig gewordenen Asylwerbern abschieben'. Doch Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) lässt den Bus an der kärntnerisch-steirischen Grenze von der Polizei stoppen, die Asylwerber haben in Kärnten zu bleiben. "Haider ist empört. Die Ministerin habe 'zum Schutz von gewaltbereiten Asylanten die Polizei' eingesetzt."

Moment einmal. Wie bitte? Habe ich das richtig verstanden: Herr Haider setzt also ohne jegliche Bedenken eine junge Frau und ihr fünfjähriges Kind in einen Bus mitten unter vier gewaltbereite Kriminelle!? Und sonst geht's aber schon noch gut!?

Man steht nun also vor der Wahl: Entweder die Anschuldigungen gegen die betroffenen Männer stimmen, dann ist es ein Skandal, dass Haider fahrlässig eine Frau und ihr Kind gefährdet. Oder aber die Anschuldigungen stimmen nicht, dann entlarvt dies die Aktion vollständig als plumpe populistische Ausländerhetze. In jedem Fall: Pfui!

Was im übrigen Haiders Empörung betrifft, die Ministerin habe zum Schutz von gewaltbereiten Asylanten die Polizei eingesetzt, so hätte ich da einen Vorschlag: Herr Haider, setzen Sie doch beim nächsten Deportationsversuch Ihren Parteichef Peter Westenthaler ans Steuer. Der hat ja scheinbar Übung darin, im Weg stehende Polizeibeamte mit dem Auto beiseite zu schaffen.. (orf.at-Bericht)
steppenhund - 2008/07/25 21:57

Eine sehr aufmerksame Beobachtung mit noch intelligenterer Schlussfolgerung.
Es stimmt, es ist in beiden Auslegungsalternativen eine miese Aktion. Und doch kommt mir vor, dass das Österreich kaum jemandem auffällt, weil die Masse bereits zu verdummt ist.
Danke jedenfalls für diese Darstellung.

HZ (Gast) - 2008/07/26 02:31

Der Berichterstattung in den Medien war allerdings auch das Detail zu entnehmen, dass die betroffenen Personen N I C H T rechtskräftig verurteilt sind. Die betroffenen Personen sind daher ex lege N I C H T straffällig (=> gesetzliche Unschuldsvermutung)!

Unter der Annahme, dass die Medienberichterstattung sachlich zutreffend ist, möchte daher die erste und wichtigste Schlussfolgerung sein: Die handelnden Behörden haben gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot verstoßen, noch dazu in einem die Menschenwürde immens verletzenden Ausmaß.

In Österreich dürfen Behörden nur aufgrund geltender Gesetze tätig werden, nicht aufgrund emotionaler Regungen irgendwelcher Personen. Sie dürfen bzw. müssen außerdem tätig werden nur in jener Weise, wie es die Verfahrensgesetze vorgeben. Was hier im dargestellten Fall geschehen ist - es gibt ja mittlerweile mehrere solcher Vorfälle in Kärnten - verstößt nicht nur gegen Österreichische Gesetze, sondern überdies gegen das Menschenrecht des "fair trial". Die betroffenen Personen wurden ohne rechtskonformes Verfahren "beamtshandelt".

Daran anknüpfende Schlussfolgerungen könnten vielleicht noch sein: Wenn die von der Legislative gesatzten "Spielregeln" (aka Verfassung und Gesetze) von der Exekutive einfach ignoriert werden,ist das sehr schlecht - weil unsicher und unberechenbar. Wenn noch dazu das ungesetzliche Handeln von Exekutivorganen - ein solches Exekutivorgan ist z.B. LH Haider - ungeahndet bleibt, weil sich die Judikative nicht zu den vorgesehenen Schritten (Offizialdelikt = von Amts wegen zu verfolgen = bedarf keiner Anzeige durch irgendjemanden) durchringen kann, ist das noch viel schlechter - weil letztendlch kein Behördenorgan Strafe fürchtet.
Wenn also die rechtsstaatliche Ordnung versagt, macht sich zuletzt staatliches Faustrecht breit. Im privatrechtlichen Bereich etabliert sich dieser Zustand bereits spürbar. Der Euphemismus dafür lautet "Kapitalismus".

Was im übrigen Haiders Empörung betrifft, die Ministerin habe zum Schutz gewaltbereiter Asylanten die Polizei eingesetzt, möchte ich unbedingt noch anmerken: Das ist der Ministerin Pflicht! Es gibt in Österreich leider viel zu wenige Menschen, die das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verstanden und verinnerlicht haben. Eine tatsächlich ausgeführte Gewalttätigkeit handelnder Behörden wird deshalb auch nicht als solche erkannt und kritisiert.

relationes - 2008/07/27 08:23

Danke fuer den Kommentar, bzw. die langen Ausfuehrungen. Ich gebe Ihnen da vollkommen recht.

Zur Erklaerung: Mein Beitrag ist sozusagen eine verspaetete Verschriftlichung meiner Reaktion auf die erste Berichterstattung der Ereignisse. Soweit ich mich erinnere, kam die Information, dass die Asylwerber nicht verurteilt - ergo wie Sie richtig sagen unschuldig - sind, erst ein bisschen spaeter an die Oeffentlichkeit. Und bis dorthin hatte Haider Zeit, das Thema soweit zu emotionalisieren und erweitern, dass - unterstelle ich jetzt einmal - das Detail der Unschuld der Betroffenen in der allgemeinen Diskussion letztendlich dann gar nicht mehr so wichtig war. Mein Punkt war deshalb, schon den krassen Widerspruch innerhalb der ersten Berichterstattung aufzuzeigen.

Aber ich gebe Ihnen inhaltlich recht. Es ist tatsaechlich bedenklich, wie in Politik und Oeffentlichkeit immer wieder versucht wird, klare rechtliche Tatsachen zu verdrehen oder gar als moralisch unrechtmaessig darzustellen.
Leticia (Gast) - 2008/07/27 11:48

Du hast den nagel wiedermal auf den kopf getroffen...

Quote

Wer die Enge seiner Heimat ermessen will, reise. Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte. (Kurt Tucholsky, 1890-1935)

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hm...
du hast recht diesen Text zu Analysieren ist ziemlich...
little brother (Gast) - 2009/01/31 12:15
Hab a no was zum Thema...
Auf den Innsbrucker Vorfall bezogen, heißt das also:...
relationes - 2009/01/27 01:51
hab i no gfunden :)
http://orf.at/090126-34295 /index.html
little brother (Gast) - 2009/01/26 14:39
@ little brother: mehr...
@ little brother: mehr als 1/4 der Österreicher sind...
Zita (Gast) - 2009/01/20 10:09
ahhh
Na den hatte ich tatsächlich nicht mehr in Erinnerung.Na...
little brother (Gast) - 2009/01/20 09:36
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LOL. Scharfsinnigst auf den Punkt gebracht, little...
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