Bedenkliches Gedenken
12./13. März 2008. Vor genau 70 Jahren marschierte die deutsche Wehrmacht in Österreich ein - wo sie auf eine Armee von Jubelnden traf - und Hitler erklärte den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Für den gelernten Österreicher wenig überraschend verläuft das politische Gedenken[1] an diese Zeit wie so oft in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht unkontrovers. (Dieses Jahr im Blickpunkt: Otto Habsburgs Aufwärmen[2] der beinahe überwunden geglaubten Opferthese.[3])
Das aber nur am Rande. Eigentlich wollte ich - aus reiner linkslinker Sensationslust heraus - nur mal kurz sehen, was denn unsere Zwetschken (die Blauen mit dem harten braunen Kern) zu diesem Anlass von sich geben würden. Die Antwort lautet: Nichts. Die FPÖ hat (eben so wie übrigens das BZÖ) keine Meinung zum "Anschluss". Oder keine, die sie uns mitteilen will. Und ich mutmaße, das ist vermutlich auch gut so. Sowohl für uns Wähler als auch für die (eigentlich nicht) zu Wählenden.
Stattdessen gewährt die Webseite der FPÖ andere interessante Einblicke ins Geschichts- und Kulturverständnis der Partei. Gegenstand sind jedoch nicht die Ereignisse von 1938 sondern jene von 1809. Nächstes Jahr jährt sich schließlich zum zweihundertsten Mal die "Heldenzeit" Tirols, der Kampf Andreas Hofers und seiner Bauern gegen Franzosen und Bayern. Die diesbezüglichen Gedenkfeiern und die Instrumentalisierungen während der vergangenen zwei Jahrhunderte wären ebenfalls ein Thema für sich. Eben gerade angesichts dieses überstrapazierten Jubiläums dürften sich alle Vernünftigen - vermutlich vergeblich aber immerhin - ein sachliches, unpolitisches und unpolemisches Erinnern im nächsten Jahr wünschen.
Nicht so bei der FPÖ. Dort geht man den entgegengesetzten Weg. (Wenig erstaunlich, scheinen doch in dieser Partei die Vernünftigen spärlich gesät zu sein.) Das Gedenkjahr an den Freiheitskampf der Tiroler Bauern 1809 gegen die Napoleonische Fremdherrschaft müsse dafür genutzt werden, den - seit 1919 bis heute andauernden - Freiheitskampf der tapferen Südtiroler gegen die italienische Fremdherrschaft zu unterstützen. Denn, so die FPÖ: "Die politische Grenze am Brenner ist unverändert eine Unrechtsgrenze, die nicht zu akzeptieren ist."[4]
Wie hat jener bekannte Österreicher, pardon Deutsche (den wir aus Datenschutzgründen hier nicht namentlich nennen wollen) schon vor Jahrzehnten zu Beginn seines K(r)ampfes geschrieben (beziehungsweise schreiben lassen): "Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich." Dementsprechend dient der FPÖ das Jahr 2009 auch nicht zur Beschäftigung mit historischen Ereignissen, sondern steht unter dem Motto der "Feierlichkeiten zur Tiroler Landeseinheit".[5] Tiroler (und Tirolerinnen, sprich: Tiroler Töchter, Ehefrauen und Mütter), aus Nord- und aus Süd- (und nebenbei auch aus dem meist vernachlässigten Ost-) gehören eben in ein gemeinsames wahrhaft wiedervereinigtes Gesamttirol. Ob sie wollen oder nicht. Vereint unter dem Tiroler Adler werden sie - so vermute ich - sodann ausziehen und sich, wie schon zu Hofers Zeiten, heldenhaft und todesmutig daran machen, jegliche ausländische Tyrannei zu bekämpfen. Damals Versailles, heute Brüssel.
Für böses Blut in den blauen Bestrebungen sorgen paradoxerweise ausgerechnet die gleichen Blutsbrüder vom gemeinsamen Reich im Norden. Wie bereits 1809 hat sich das wackere Gebirgsvolk nämlich auch heute nicht nur feindlicher "Walscher" sondern auch verräterischer Deutscher zu erwehren. "Der aus Deutschland eingeflogene Wolfgang Meighörner wurde als neuer Leiter der Tiroler Landesmuseen installiert. Dieser deutschsprachige Kulturbringer beglückt uns mit dem Titel >Hofer Wanted!< für die Schau zum Jubiläumsjahr," mokiert FPÖ-Nationalratsabgeordneter Werner Neubauer und kritisiert das geplante Veranstaltungsprogramm. "Titel wie >Freiheitsheld oder Taliban?< und >Andreas Hofer - ein Tourismusheld< zeigen deutlich, wohin die Reise gehen soll."[6]
Mich hingegen lassen die genannten Titel hoffen: Auf ein Hinterfragen des schmalen Grades zwischen gefeierten Widerstandskämpfern und verteufelten Rebellen von damals bis heute. Auf eine kritische Auseinandersetzung mit konservativen Gesellschaftsvorstellungen Hofers und seiner Mannen. Auf eine entlarvende Rückblende auf die Geschichte der Instrumentalisierung und Vermarktung seiner Figur. Auf Sachlichkeit anstatt auf Polemik. Solche Ansätze wären tatsächlich einen, nein mehrere, Reisen in die Museen wert.
Ja, diese Titel zeigen, wohin die Reise eigentlich gehen soll(te): In eine Richtung, die den Ewiggestrigen naturgemäß widerstrebt. Nach vorne ins Morgen. In Richtung eines modernen Umgangs mit der Vergangenheit.
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Quellen:
[1] "Schwieriges Gedenken an den 'Anschluss': ‚Nicht aus heiterem Himmel gekommen'", orf.at, 12.3.2008.
[2] "Opferdiskussion 'ein Skandal': Dollfuß in 'Schlacht gegen Hitler gefallen'", orf.at, 10.3.2008.
[3] Heidemarie Uhl: "'Anschluss'-Gedenken 2008: Abschied von der Opferthese", science.orf.at, 10.3.2008.
[4, 5, 6] "Strache, Neubauer, Hauser: FPÖ protestiert gegen Verunglimpfung der Feierlichkeiten zur Tiroler Landeseinheit 2009!", fpoe.at, 10.3.2008.
Das aber nur am Rande. Eigentlich wollte ich - aus reiner linkslinker Sensationslust heraus - nur mal kurz sehen, was denn unsere Zwetschken (die Blauen mit dem harten braunen Kern) zu diesem Anlass von sich geben würden. Die Antwort lautet: Nichts. Die FPÖ hat (eben so wie übrigens das BZÖ) keine Meinung zum "Anschluss". Oder keine, die sie uns mitteilen will. Und ich mutmaße, das ist vermutlich auch gut so. Sowohl für uns Wähler als auch für die (eigentlich nicht) zu Wählenden.
Stattdessen gewährt die Webseite der FPÖ andere interessante Einblicke ins Geschichts- und Kulturverständnis der Partei. Gegenstand sind jedoch nicht die Ereignisse von 1938 sondern jene von 1809. Nächstes Jahr jährt sich schließlich zum zweihundertsten Mal die "Heldenzeit" Tirols, der Kampf Andreas Hofers und seiner Bauern gegen Franzosen und Bayern. Die diesbezüglichen Gedenkfeiern und die Instrumentalisierungen während der vergangenen zwei Jahrhunderte wären ebenfalls ein Thema für sich. Eben gerade angesichts dieses überstrapazierten Jubiläums dürften sich alle Vernünftigen - vermutlich vergeblich aber immerhin - ein sachliches, unpolitisches und unpolemisches Erinnern im nächsten Jahr wünschen.
Nicht so bei der FPÖ. Dort geht man den entgegengesetzten Weg. (Wenig erstaunlich, scheinen doch in dieser Partei die Vernünftigen spärlich gesät zu sein.) Das Gedenkjahr an den Freiheitskampf der Tiroler Bauern 1809 gegen die Napoleonische Fremdherrschaft müsse dafür genutzt werden, den - seit 1919 bis heute andauernden - Freiheitskampf der tapferen Südtiroler gegen die italienische Fremdherrschaft zu unterstützen. Denn, so die FPÖ: "Die politische Grenze am Brenner ist unverändert eine Unrechtsgrenze, die nicht zu akzeptieren ist."[4]
Wie hat jener bekannte Österreicher, pardon Deutsche (den wir aus Datenschutzgründen hier nicht namentlich nennen wollen) schon vor Jahrzehnten zu Beginn seines K(r)ampfes geschrieben (beziehungsweise schreiben lassen): "Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich." Dementsprechend dient der FPÖ das Jahr 2009 auch nicht zur Beschäftigung mit historischen Ereignissen, sondern steht unter dem Motto der "Feierlichkeiten zur Tiroler Landeseinheit".[5] Tiroler (und Tirolerinnen, sprich: Tiroler Töchter, Ehefrauen und Mütter), aus Nord- und aus Süd- (und nebenbei auch aus dem meist vernachlässigten Ost-) gehören eben in ein gemeinsames wahrhaft wiedervereinigtes Gesamttirol. Ob sie wollen oder nicht. Vereint unter dem Tiroler Adler werden sie - so vermute ich - sodann ausziehen und sich, wie schon zu Hofers Zeiten, heldenhaft und todesmutig daran machen, jegliche ausländische Tyrannei zu bekämpfen. Damals Versailles, heute Brüssel.
Für böses Blut in den blauen Bestrebungen sorgen paradoxerweise ausgerechnet die gleichen Blutsbrüder vom gemeinsamen Reich im Norden. Wie bereits 1809 hat sich das wackere Gebirgsvolk nämlich auch heute nicht nur feindlicher "Walscher" sondern auch verräterischer Deutscher zu erwehren. "Der aus Deutschland eingeflogene Wolfgang Meighörner wurde als neuer Leiter der Tiroler Landesmuseen installiert. Dieser deutschsprachige Kulturbringer beglückt uns mit dem Titel >Hofer Wanted!< für die Schau zum Jubiläumsjahr," mokiert FPÖ-Nationalratsabgeordneter Werner Neubauer und kritisiert das geplante Veranstaltungsprogramm. "Titel wie >Freiheitsheld oder Taliban?< und >Andreas Hofer - ein Tourismusheld< zeigen deutlich, wohin die Reise gehen soll."[6]
Mich hingegen lassen die genannten Titel hoffen: Auf ein Hinterfragen des schmalen Grades zwischen gefeierten Widerstandskämpfern und verteufelten Rebellen von damals bis heute. Auf eine kritische Auseinandersetzung mit konservativen Gesellschaftsvorstellungen Hofers und seiner Mannen. Auf eine entlarvende Rückblende auf die Geschichte der Instrumentalisierung und Vermarktung seiner Figur. Auf Sachlichkeit anstatt auf Polemik. Solche Ansätze wären tatsächlich einen, nein mehrere, Reisen in die Museen wert.
Ja, diese Titel zeigen, wohin die Reise eigentlich gehen soll(te): In eine Richtung, die den Ewiggestrigen naturgemäß widerstrebt. Nach vorne ins Morgen. In Richtung eines modernen Umgangs mit der Vergangenheit.
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Quellen:
[1] "Schwieriges Gedenken an den 'Anschluss': ‚Nicht aus heiterem Himmel gekommen'", orf.at, 12.3.2008.
[2] "Opferdiskussion 'ein Skandal': Dollfuß in 'Schlacht gegen Hitler gefallen'", orf.at, 10.3.2008.
[3] Heidemarie Uhl: "'Anschluss'-Gedenken 2008: Abschied von der Opferthese", science.orf.at, 10.3.2008.
[4, 5, 6] "Strache, Neubauer, Hauser: FPÖ protestiert gegen Verunglimpfung der Feierlichkeiten zur Tiroler Landeseinheit 2009!", fpoe.at, 10.3.2008.
relationes - 2008/03/14 05:02