Wild America V

Ich war versucht, mich heute gleich bei meiner Ankunft um 8:15(!) - Erklärung folgt - zum Computer zu setzen und mich diesem Eintrag zu widmen, allerdings fürchtete ich, dadurch den Platz an meiner Maschine zu gefährden – unbegründetermaßen, wie sich herausstellte, denn das Monster aus dem verfluchten Calgary tauchte nicht auf. Übrigens klärte mich Sylwia des morgens über die Hintergründe der Abgründe zwischen den beiden Städten auf: Die Calgarianer können es nicht verwinden, dass im Rahmen der Gründung des Staates Alberta im Jahre 1905 die liberale Bundesregierung die hiesige Bevölkerung angeblich dazu “verführte”, das liberalere, nördlichere Edmonton anstatt des konservativeren, südlicheren Calgarys (das Sylwia als den kanadischen Bible Belt bezeichnete) zur Hauptstadt Albertas zu wählen. (Ob man deswegen in Calgary und Edmonton letztes Jahr 100 Jahre Feindschaft feierte?)

Nun aber zur jüngsten Viecher Episode. (Ich muss jetzt unbedingt mal mit dem Staubsauger unter die Teppiche saugen um eventuelle Vormieter loszuwerden und den Bad-Spalt stopfen um Neuankömmlinge draußen zu halten.) Als hätte man mich schon sehnlichst erwartet, wurde ich gestern, als ich um kurz vor 12 (jaja das liebe Internet) nach Hause kam, mehr oder weniger freundlich empfangen. Eine Assel krabbelte gemütlich über den Küchenboden und stieß auf eine weniger freundliche Reaktion meinerseits (WKC demnach bei 7, Tag 9). Schon einmal im Bad beschloss ich, mich dort nach weiteren Artgenossen - des Opfers, nicht des Täters. Oder umgekehrt? Schließlich war es ja quasi Notwehr! - umzusehen, vergeblich, allerdings wurde diese erfreuliche Enttäuschung alsbald durch die Präsenz zweier netter, fetter Spinnen – eine in der Wanne die andere am Fensterbrett – Wett gemacht. Na gut, dann halt Spinnenjagd. Einmal gefangen ist das Problem der Wohnung, dass ich sie nicht einmal einfach zum Fenster hinausbefördern kann, weil das einzige zu öffnende Fenster im Schlafzimmer vergittert ist. Es bliebe also lediglich die Möglichkeit, sie in den Badspalt zu jagen zu versuchen, oder aber sie die Stiege hinauf vor die Haustür zu tragen. Das mach ich vielleicht untertags, aber nicht mehr um Mitternacht, nicht dass Vacłav noch wach wird und, ähm, herumspinnt.

Die Spinnenjagd hat sich gar nicht so leicht gestaltet, da die Tierchen um einiges schneller sind, als ich die unsrigen in Erinnerung habe. Die Insekten scheinen der landläufigen Vorstellung, in Amerika sei alles effizienter beziehungsweise extremer, gerecht zu werden. Die Gelsen sind extrem aggressiv, man hört sie zudem nicht und am Fußballplatz war eine dabei, mich durch den Socken zu stechen, als mir meine Hand ausrutschte, ups, kann mal passieren. Falls sie einen erwischt haben, gibt’s höllisch juckende Beulen. Eben diese haben mich heute um 6 geweckt. Die Viecher passen sich offensichtlich der Fresssucht der Menschen an, denn beide Füße waren übersäht mit Stichen. Auauau! Nachdem ich nicht mehr einschlafen konnte, begann ich den Tag also eineinhalb Stunden früher als geplant. Die Dusche hatte ich, welch Wunder, ganz für mich allein. Das muss nicht unbedingt was heißen. Am Sonntag in der Früh schien das auch der Fall zu sein, doch dann nahm ich in morgendlichem Elan das – schwarze – Handtuch schwungvoll vom Haken, was dazu führte, dass es „Plopp“ machte und eine Spinne der üblichen Größe am Boden landete. Zur Sicherheit gewöhne ich mir diese Bewegung jetzt auch an müden Tagen an, um zu vermeiden, dass ich mich während des Abtrocknens auch gleich noch mit Spinnenblut eincreme. Aber wer weiß, vielleicht würde es gegen die Gelsen helfen?

Als ich Sylwia und Erzi – die natürlich etwas erstaunt waren, mich eine Stunde früher zu Gesicht zu bekommen - von meinen Stichen erzählte, schaute mich erstere entgeistert an und meinte: „Hast du keinen Spray? Ich geh überhaupt nicht aus dem Haus ohne mich einzusprayen!“ Tja, mein blöder Witz vor der Reise, dass ich mich für Kanada sicher Malaria-Impfen lassen muss, hat sich mehr bewahrheitet als mir lieb ist. Nicht genug der an sich schon unangenehmen Stichen gibt es auch eine Art von Stechmücke, die zwar nicht Malaria, aber hohes Fieber verursachen und unbehandelt im schlimmsten Fall Gehirnschäden (wenn ich Sylwia richtig verstanden habe) verursachen kann. Nachdem die hier keine Zecken haben, haben sie wenigstens Mücken die sie fürchten können! Auf jeden Fall werd ich wohl heute Abend in die Drogerie schauen und mir den Abschreckungs-Spray besorgen, damit ich bald wieder die Flip-Flops anziehen kann (welche nebenbei bemerkt, abgesehen von gestern bisher die alleinige Aufgabe hatten, als Türstopper für die Schlafzimmertür zu fungieren). Die Frage die ich mir stelle: Selbst wenn die Plage dieser Nacht, die eine Fressgelse oder die unsichtbare Gelsenarmee, aufgrund des Spraygeruchs vor Grausen das Weite sucht, wird sie den schmalen Spalt finden, der ihr die Flucht hinaus ins Weite überhaupt erst ermöglicht?

Quote

Wer die Enge seiner Heimat ermessen will, reise. Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte. (Kurt Tucholsky, 1890-1935)

Latest Comments

hm...
du hast recht diesen Text zu Analysieren ist ziemlich...
little brother (Gast) - 2009/01/31 12:15
Hab a no was zum Thema...
Auf den Innsbrucker Vorfall bezogen, heißt das also:...
relationes - 2009/01/27 01:51
hab i no gfunden :)
http://orf.at/090126-34295 /index.html
little brother (Gast) - 2009/01/26 14:39
@ little brother: mehr...
@ little brother: mehr als 1/4 der Österreicher sind...
Zita (Gast) - 2009/01/20 10:09
ahhh
Na den hatte ich tatsächlich nicht mehr in Erinnerung.Na...
little brother (Gast) - 2009/01/20 09:36
LOL. Scharfsinnigst auf...
LOL. Scharfsinnigst auf den Punkt gebracht, little...
relationes - 2009/01/20 03:31
Ja,ja böse Bettler belästigen...
Ja,ja böse Bettler belästigen Kirchenbesucher in dem...
little brother (Gast) - 2009/01/19 23:37

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