EURO Tag 2 - Fußballschlachten
Jetzt ist sie also geschlagen, die "Schlacht von Klagenfurt" die Deutschland verdient mit 2:0 für sich entschied. (Wobei die Polen sicher einmal mehr bedauerten, Lukas Podolski nicht in ihrem Team zu haben.)
Schlacht ist in diesem Zusammenhang aufgrund der Ereignisse im Vorfeld ganz bewusst gewählt. Wie schrieb George Orwell 1945 in seinem Essay "The Sporting Spirit": "Serious sport [...] is war minus the shooting."[orwell.ru]
Auf den Fußball übertragen trifft das "ohne das Schießen" natürlich nur bedingt zu. Und auch abseits des Feldes wird oft scharf geschossen, zumeist gerade von Orwells Landsleuten bzw. Journalistenkollegen. Kein Fußballgroßereignis in dessen Umfeld die englischen Boulevardblätter Deutschland nicht durch unangebrachte historische Vergleiche, Wortspiele und Fotomontagen brüskierten. Sie schienen beinahe ein Monopol darauf zu haben.
Nur leider vergeigten es die Engländer bekanntermaßen dieses Mal im entscheidenden Match. In ihrem letzten Qualifikationsspiel erlitten sie das gleiche Schicksal wie Österreich heute in seinem ersten Endrundenspiel: Heimniederlage gegen Kroatien. Nun verkriechen sie sich also beleidigt auf ihrer Insel und lassen den Kontinent Kontinent und die EURO EURO sein. So kam es also, dass dieses Mal jemand anderer die von ihnen hinterlassene Lücke füllen musste.
In journalistischer und skandalistischer Hinsicht wurde diese Lücke sehr professionell von den polnischen Boulevardblättern gefüllt. Bezüglich der Titelseite von "Super Express", auf der Polen-Coach Beenhakker die abgerissenen Köpfen von Ballack und Löw hoch hält, erübrigt sich ohnehin jeglicher Kommentar.
Interessanter ist hingegen die Symbolik von "Fakt", wo Beenhakker dazu ansetzt, Ballack zu enthaupten. [Bild: spiegel.de] Auf Nazi-Anspielungen hat man verzichtet - vermutlich wäre das dann doch zu viel des Schlechten und des Schmerzhaften für die Polen gewesen, und an eigene Niederlagen und Machtlosigkeit erinnert man sich gemeinhin ja auch nicht so gerne.
So vermeidet "Fakt" den Zweiten Weltkrieg, und ersetzt ihn durch den ihm vorangegangenen: Ballack trägt die preußische Pickelhaube, oft Sinnbild für den deutschen Militarismus, der zum Ersten Weltkrieg führte - jenem Weltkrieg, der zum Wiedererstehen eines unabhängigen polnischen Staates führte (nachdem dieser im 18.
Jahrhundert durch Preußen, Zarenreich und Habsburgermonarchie zerschlagen worden war und damit für ziemlich genau 120 Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwand).
Das zweite auffallende und symbolträchtige Element ist Ballacks weißer Mantel mit dem schwarze Kreuz. Das Wappen des Deutschen Ordens spielt hier auf das Jahr 1410 an, als die Ordensritter eine vernichtende Niederlage gegen ein polnisch-litauisches Heer erlitten. Die sogenannte Schlacht bei Tannenberg (in Polen als Schlacht bei Grunwald bekannt) - ist einer der zentralen nationalen Mythen Polens. Sie leitete den Niedergang des Deutschen Ordens und den Aufstieg Polen-Litauens zur europäischen Großmacht ein. Der währte einige Jahrhunderte - bis schließlich aus den dem Orden verbliebenen Gebieten der preußische Staat hervorging, der wie bereits gesagt, am vorübergehenden Ende eines unabhängigen Polens maßgeblichen Anteil hatte, womit sich dieser Kreis schließt.
Hinzugefügt sei nun aber noch, dass 1914 das Deutsche Reich seine erste große Schlacht des Weltkriegs gegen das Zarenreich in unmittelbarer Nähe gewann. Auf Veranlassung von Hindenburg wurde diese Schlacht von Allenstein dann in "Schlacht von Tannenberg" umbenannt, um sozusagen die Niederlage von 1410 auszumerzen und den Sieg besser propagandistisch vermarkten zu können.
Nun, die zur Fotomontage gehörige Titelschlagzeile von "Fakt" lautete: "Leo, wiederhole Grunwald." Offensichtlich ist Geschichte nicht Beenhakkers Stärke und er hat heute die falsche Schlacht von Tannenberg erwischt...
Sie ist aber auch verwirrend, diese ganze deutsch-polnische Geschichte. Mitunter aber nicht verwirrender als die Gegenwart. "Polen eröffnen Fußball-Krieg", titelte die Bild empört und ereiferte sich ob der "Hetze gegen unsere Mannschaft": "Es ist einfach widerlich!" Skandal! Online rief bild.de ober- und unterhalb des Artikels ein Link die deutschen Leser dazu auf: "Schreiben Sie den polnischen Fans Ihre Meinung" zum "EM Krieg gegen uns". "Der EM Krieg von uns gegen uns", müsste es richtig heißen. Denn sowohl die Bild als auch die Fakt gehören zum deutschen Axel Springer Verlag. (Wenn man wollte, könnte man jetzt einen Vergleich herstellen, zu einer gewissen deutsch-polnischen Begebenheit des Jahres 1939, in die ein gewisser Ort namens Gleiwitz involviert war. Will man jetzt aber nicht.)
Summa summarum: Im Sport, beziehungsweise in den den Sport umgebenden Medien, wird verbal eben doch geschossen - und zurück geschossen. Seitens der Anhänger folgen zum Glück auch keine Schießereien, aber - wie in Klagenfurt - Pöbeleien, Prügeleien und "Scharmützel". [1, 2]
Angesichts dessen scheint es mir da auf einmal geradezu ein Segen zu sein, dass alles, was uns in Österreich vor Deutschland-Spielen einfällt, das schlichte Wörtchen "Córdoba" ist. (Was aber unter Umständen auch nur daher kommt, dass wir historisch gesehen unsere Schlachten entweder gegen Deutschland verloren oder mit Deutschland verloren haben. Aber das ist eine andere Geschichte...)
Und als Belohnung, dass ihr tatsächlich das alles gelesen habt, gibt's zum Abschluss etwas leichtere Kost: Der Einstimmungs-Clip der deutschen Tipp-Plattform foozee.de auf den EM-Auftakt:
Schlacht ist in diesem Zusammenhang aufgrund der Ereignisse im Vorfeld ganz bewusst gewählt. Wie schrieb George Orwell 1945 in seinem Essay "The Sporting Spirit": "Serious sport [...] is war minus the shooting."[orwell.ru]
Auf den Fußball übertragen trifft das "ohne das Schießen" natürlich nur bedingt zu. Und auch abseits des Feldes wird oft scharf geschossen, zumeist gerade von Orwells Landsleuten bzw. Journalistenkollegen. Kein Fußballgroßereignis in dessen Umfeld die englischen Boulevardblätter Deutschland nicht durch unangebrachte historische Vergleiche, Wortspiele und Fotomontagen brüskierten. Sie schienen beinahe ein Monopol darauf zu haben.
Nur leider vergeigten es die Engländer bekanntermaßen dieses Mal im entscheidenden Match. In ihrem letzten Qualifikationsspiel erlitten sie das gleiche Schicksal wie Österreich heute in seinem ersten Endrundenspiel: Heimniederlage gegen Kroatien. Nun verkriechen sie sich also beleidigt auf ihrer Insel und lassen den Kontinent Kontinent und die EURO EURO sein. So kam es also, dass dieses Mal jemand anderer die von ihnen hinterlassene Lücke füllen musste.
In journalistischer und skandalistischer Hinsicht wurde diese Lücke sehr professionell von den polnischen Boulevardblättern gefüllt. Bezüglich der Titelseite von "Super Express", auf der Polen-Coach Beenhakker die abgerissenen Köpfen von Ballack und Löw hoch hält, erübrigt sich ohnehin jeglicher Kommentar.
Interessanter ist hingegen die Symbolik von "Fakt", wo Beenhakker dazu ansetzt, Ballack zu enthaupten. [Bild: spiegel.de] Auf Nazi-Anspielungen hat man verzichtet - vermutlich wäre das dann doch zu viel des Schlechten und des Schmerzhaften für die Polen gewesen, und an eigene Niederlagen und Machtlosigkeit erinnert man sich gemeinhin ja auch nicht so gerne.
So vermeidet "Fakt" den Zweiten Weltkrieg, und ersetzt ihn durch den ihm vorangegangenen: Ballack trägt die preußische Pickelhaube, oft Sinnbild für den deutschen Militarismus, der zum Ersten Weltkrieg führte - jenem Weltkrieg, der zum Wiedererstehen eines unabhängigen polnischen Staates führte (nachdem dieser im 18.
Jahrhundert durch Preußen, Zarenreich und Habsburgermonarchie zerschlagen worden war und damit für ziemlich genau 120 Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwand). Das zweite auffallende und symbolträchtige Element ist Ballacks weißer Mantel mit dem schwarze Kreuz. Das Wappen des Deutschen Ordens spielt hier auf das Jahr 1410 an, als die Ordensritter eine vernichtende Niederlage gegen ein polnisch-litauisches Heer erlitten. Die sogenannte Schlacht bei Tannenberg (in Polen als Schlacht bei Grunwald bekannt) - ist einer der zentralen nationalen Mythen Polens. Sie leitete den Niedergang des Deutschen Ordens und den Aufstieg Polen-Litauens zur europäischen Großmacht ein. Der währte einige Jahrhunderte - bis schließlich aus den dem Orden verbliebenen Gebieten der preußische Staat hervorging, der wie bereits gesagt, am vorübergehenden Ende eines unabhängigen Polens maßgeblichen Anteil hatte, womit sich dieser Kreis schließt.
Hinzugefügt sei nun aber noch, dass 1914 das Deutsche Reich seine erste große Schlacht des Weltkriegs gegen das Zarenreich in unmittelbarer Nähe gewann. Auf Veranlassung von Hindenburg wurde diese Schlacht von Allenstein dann in "Schlacht von Tannenberg" umbenannt, um sozusagen die Niederlage von 1410 auszumerzen und den Sieg besser propagandistisch vermarkten zu können.
Nun, die zur Fotomontage gehörige Titelschlagzeile von "Fakt" lautete: "Leo, wiederhole Grunwald." Offensichtlich ist Geschichte nicht Beenhakkers Stärke und er hat heute die falsche Schlacht von Tannenberg erwischt...
Sie ist aber auch verwirrend, diese ganze deutsch-polnische Geschichte. Mitunter aber nicht verwirrender als die Gegenwart. "Polen eröffnen Fußball-Krieg", titelte die Bild empört und ereiferte sich ob der "Hetze gegen unsere Mannschaft": "Es ist einfach widerlich!" Skandal! Online rief bild.de ober- und unterhalb des Artikels ein Link die deutschen Leser dazu auf: "Schreiben Sie den polnischen Fans Ihre Meinung" zum "EM Krieg gegen uns". "Der EM Krieg von uns gegen uns", müsste es richtig heißen. Denn sowohl die Bild als auch die Fakt gehören zum deutschen Axel Springer Verlag. (Wenn man wollte, könnte man jetzt einen Vergleich herstellen, zu einer gewissen deutsch-polnischen Begebenheit des Jahres 1939, in die ein gewisser Ort namens Gleiwitz involviert war. Will man jetzt aber nicht.)
Summa summarum: Im Sport, beziehungsweise in den den Sport umgebenden Medien, wird verbal eben doch geschossen - und zurück geschossen. Seitens der Anhänger folgen zum Glück auch keine Schießereien, aber - wie in Klagenfurt - Pöbeleien, Prügeleien und "Scharmützel". [1, 2]
Angesichts dessen scheint es mir da auf einmal geradezu ein Segen zu sein, dass alles, was uns in Österreich vor Deutschland-Spielen einfällt, das schlichte Wörtchen "Córdoba" ist. (Was aber unter Umständen auch nur daher kommt, dass wir historisch gesehen unsere Schlachten entweder gegen Deutschland verloren oder mit Deutschland verloren haben. Aber das ist eine andere Geschichte...)
Und als Belohnung, dass ihr tatsächlich das alles gelesen habt, gibt's zum Abschluss etwas leichtere Kost: Der Einstimmungs-Clip der deutschen Tipp-Plattform foozee.de auf den EM-Auftakt:
relationes - 2008/06/09 04:28