Bildungsreform Anno 1781
Da ich vermutlich gerade irgendwo unterwegs bin um Kanada zu feiern, nütze ich wieder Mal die automatische Post-Funktion. Es gaeb ja Zeug genug, das ich loswerden wollen wuerde, wenn ich nur den ganzen Tag Zeit zum Schreiben haette, was dann natuerlich dazu fuehren wuerde, dass ich viel weniger Stoff zum darueber Schreiben haette - wie auch immer..
Ein kleines Fundstück über das ich diese Woche gestolpert bin. Ähnlichkeiten mit heutigen Maßnahmen können höchstens völliger Zufall sein, da die aktuelle insbesondere gegen die Geisteswissenschaften gerichtete Vorgehensweise den Schluss nahe legt, dass diese den Zuständigen nicht wirklich am Herzen liegen. (Und sie sich folglich auch nicht intensiv mit Fächern wie Geschichte beschäftigt haben können, da sie ansonsten sowohl die Liebe zu selbigen entdeckt als auch deren Wichtigkeit erkannt hätten.)
Wohlan, schrieb Joseph II. in einem „Billet an Grafen Blumegen“ (üblicherweise wird er Blümegen geschrieben) vom 29. November 1781. Der neu einzurichtenden Hof Studien Commission „will ich nachfolgende Grundsäze geben“:
1. Unnütze Fächer beziehungsweise Unis abschaffen:
„1. sollen hinfüro die grossen Universitäten auf drey in den Ö(sterreichisch)en und B(öhmischen) Landen eingeschränket werden: nemlich Wienn, Prag und eine in Galizien. Die Inspruker die Brünner und die Freyburger cessiren, und werden nachhero [...] nur Gymnasien, [...] mit viel weniger Professoren jedoch. [...] 3. In der hiesigen [Wiener] Universität werden die unnützen Lehrer, als jene von ausländischen Sprachen und dergleichen einzustellen seyn.“ Jawoll, Sprachen, wer braucht schon „Sprachen und dergleichen“? Nieder mit den unnützen Geisteswissenschaften!
2. Dafür eine Elite-Uni schaffen:
In der Wiener Universität werden zudem „4. In Besezung der Lehrämter die gröste Sorgfalt, und die beste Auswahl getroffen werden, ohne Rucksicht der Nation und Religion, und alles per Concursum, was nicht Weltbekannte geschikte Professores“. Maria Gugging lässt grüßen!
3. Das Schulsystem muss vor allem nützlich sein:
„8. Die Verbindung der Normalschullehre [das unter Maria-Theresia eingeführte deutschsprachige Schulsystem] mit den humanioribus [die traditionellen „humanistischen“ Lateinschulen] ist das Hauptwerk, was wohl beobachtet werden muß, und wird hauptsächlich zu sehen seyn, ob nicht besonders die Gramatic von der Landessprache könnte gelehret werden, damit die Leüte desto stärker in derselben wurden, wo sie doch am mehresten dem Staat zu dienen haben.“ Gut erkannt, die erste Aufgabe des Bürgers ist es, dem Staat (und seiner Wirtschaft) zu dienen!
4. Bildung ist eine Kosten-Nutzen Rechnung:
„9. Es wird ein Aufsatz zu machen seyn, wie überhaupt in den Böhm(ischen) und Ö(sterreichisch)en Erblanden die Studien und Schulen einzutheilen seyen, damit […] die Beköstigung [die Kosten für den Staat] genau bestimmet werden könne, da die Anzahl der Les- und Schreiben Lernenden so groß als möglich, jene der auf höhere Studien sich verwendende minder zahlreich, und endlich jene, die alle Studien der Universität frequentiren nur die ausgesuchteste Talente seyn müssen.“ Oh ja, studieren muss ein Privileg sein, das es nur wenigen gewährt werden sollte!
Nachsatz: Nach diesem willkürlichen Auszug und böswilligen Vergleich soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass Maria-Theresia und Joseph auf dem Bildungssektor wirklich Großes geleistet habe. Für ihre Zeit war es geradezu revolutionär eine allgemeine Schulbildung gewährleisten zu wollen. Nur, tja, wir leben halt 220 Jahre später, sollten wir uns nicht inzwischen ein bisschen weiterentwickelt haben?
Quelle: HHStA, KA, StR.-Prot., Bd 76 (1781/III), Nr. 2816.
Ein kleines Fundstück über das ich diese Woche gestolpert bin. Ähnlichkeiten mit heutigen Maßnahmen können höchstens völliger Zufall sein, da die aktuelle insbesondere gegen die Geisteswissenschaften gerichtete Vorgehensweise den Schluss nahe legt, dass diese den Zuständigen nicht wirklich am Herzen liegen. (Und sie sich folglich auch nicht intensiv mit Fächern wie Geschichte beschäftigt haben können, da sie ansonsten sowohl die Liebe zu selbigen entdeckt als auch deren Wichtigkeit erkannt hätten.)
Wohlan, schrieb Joseph II. in einem „Billet an Grafen Blumegen“ (üblicherweise wird er Blümegen geschrieben) vom 29. November 1781. Der neu einzurichtenden Hof Studien Commission „will ich nachfolgende Grundsäze geben“:
1. Unnütze Fächer beziehungsweise Unis abschaffen:
„1. sollen hinfüro die grossen Universitäten auf drey in den Ö(sterreichisch)en und B(öhmischen) Landen eingeschränket werden: nemlich Wienn, Prag und eine in Galizien. Die Inspruker die Brünner und die Freyburger cessiren, und werden nachhero [...] nur Gymnasien, [...] mit viel weniger Professoren jedoch. [...] 3. In der hiesigen [Wiener] Universität werden die unnützen Lehrer, als jene von ausländischen Sprachen und dergleichen einzustellen seyn.“ Jawoll, Sprachen, wer braucht schon „Sprachen und dergleichen“? Nieder mit den unnützen Geisteswissenschaften!
2. Dafür eine Elite-Uni schaffen:
In der Wiener Universität werden zudem „4. In Besezung der Lehrämter die gröste Sorgfalt, und die beste Auswahl getroffen werden, ohne Rucksicht der Nation und Religion, und alles per Concursum, was nicht Weltbekannte geschikte Professores“. Maria Gugging lässt grüßen!
3. Das Schulsystem muss vor allem nützlich sein:
„8. Die Verbindung der Normalschullehre [das unter Maria-Theresia eingeführte deutschsprachige Schulsystem] mit den humanioribus [die traditionellen „humanistischen“ Lateinschulen] ist das Hauptwerk, was wohl beobachtet werden muß, und wird hauptsächlich zu sehen seyn, ob nicht besonders die Gramatic von der Landessprache könnte gelehret werden, damit die Leüte desto stärker in derselben wurden, wo sie doch am mehresten dem Staat zu dienen haben.“ Gut erkannt, die erste Aufgabe des Bürgers ist es, dem Staat (und seiner Wirtschaft) zu dienen!
4. Bildung ist eine Kosten-Nutzen Rechnung:
„9. Es wird ein Aufsatz zu machen seyn, wie überhaupt in den Böhm(ischen) und Ö(sterreichisch)en Erblanden die Studien und Schulen einzutheilen seyen, damit […] die Beköstigung [die Kosten für den Staat] genau bestimmet werden könne, da die Anzahl der Les- und Schreiben Lernenden so groß als möglich, jene der auf höhere Studien sich verwendende minder zahlreich, und endlich jene, die alle Studien der Universität frequentiren nur die ausgesuchteste Talente seyn müssen.“ Oh ja, studieren muss ein Privileg sein, das es nur wenigen gewährt werden sollte!
Nachsatz: Nach diesem willkürlichen Auszug und böswilligen Vergleich soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass Maria-Theresia und Joseph auf dem Bildungssektor wirklich Großes geleistet habe. Für ihre Zeit war es geradezu revolutionär eine allgemeine Schulbildung gewährleisten zu wollen. Nur, tja, wir leben halt 220 Jahre später, sollten wir uns nicht inzwischen ein bisschen weiterentwickelt haben?
Quelle: HHStA, KA, StR.-Prot., Bd 76 (1781/III), Nr. 2816.
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