Politikerhetze (?)
Heute wieder aus der Reihe "Berichte aus der Tiroler Woche" (Teil 1 hier):
Folgendes ereignete sich im Innsbrucker Stadtteil Sieglanger: Unbekannte Täter plakatierten Aufnahmen von Stadträtin Christine Oppitz-Plörer (ÖVP-nahe Liste "Für Innsbruck") und unterstellten ihr einerseits, sie sei gegen ein Sicherheitszentrum und andererseits, sie sei gegen eine Bachverbauung - was aber, so Oppitz-Plörer, beides nicht der Wahrheit entspreche.
(Bild: meinbezirk.at / Stadtblatt Innsbruck)
Die Innsbruck-Ausgabe der "Tiroler Woche" verwertete diesen Vorfall auf ihrer Titelseite zum Aufhänger: "Hasskampagne gegen Stadtpolitiker. Hetzplakate gegen Oppitz-Plörer im Umlauf". Zusätzlich zum diesbezüglichen Artikel schwang sich wiederum auch Redaktionsleiter Johann Überbacher zu einer tiefgehenden gesellschaftspolitischen Analyse auf:
"Wehe wenn sie losgelassen". Diffamierungen und Plakate sind der Anfang
Familien- und Jugendstadträtin Christine Oppitz-Plörer ist über die Hetzkampagne entsetzt (vgl. Bericht Seite 5). Alle echten Demokraten müssen gegen diese Vorgangsweise auftreten, denn Plakate mit einem Konterfei und falschen Unterstellungen waren in totalitären Regimen jeglicher Couleurs sehr beliebt. Um die Schwere dieser Hetzkampagne aufzuzeigen, braucht man nur in die Geschichte zurückblicken: Zuerst Plakate und Diffamierungen, dann bestrichene Wände und eingeschlagene Fensterscheiben. Zum Schluss folgte das Attentat gegen Leib und Leben der Person. Was sich derzeit in Sieglanger abspielt, ist Innsbruck unwürdig. Die noch unbekannten Täter sollten rasch umdenken, denn Antidemokraten haben im 21. Jahrhundert nichts zu suchen [...] Dieser Vorfall sollte die Bewohner des Stadtteils im Westen mehr als rasch wachrütteln.
Sensationell. Ob sich das auch auf den Landtags-Wahlkampf anwenden lässt?
Alle echten Demokraten müssen gegen diese Vorgangsweise auftreten, denn Plakate mit einem Konterfei des Parteiführers und falschen Versprechungen waren in totalitären Regimen jeglicher Couleurs sehr beliebt. Um die Schwere dieser Wahlkampagnen aufzuzeigen, braucht man nur in die Geschichte zurückblicken: Zuerst Plakate und Propaganda, dann Gleichschaltung der Medien und Aufhebung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Zum Schluss folgte das Attentat gegen Leib und Leben der - politisch oder sonst irgendwie unliebsamen - Person. Was sich derzeit in Tirol abspielt, ist Österreich unwürdig. Die durchaus wohl (bzw. wahl-) bekannten Täter sollten rasch umdenken, denn Antidemokraten haben im 21. Jahrhundert nichts zu suchen [...] Dieser Vorfall sollte die Bewohner des Landes im Westen mehr als rasch wachrütteln.
Funktioniert ja wunderbar. Also: Stopp dem Wahlkampf?
Und jetzt vielleicht einmal positiv formuliert:
Alle echten Demokraten müssen diese Vorgangsweise unterstützen, denn Plakate mit öffentlich ausgedrückten Gedanken und Kritik war in westlichen Ländern jeglicher Couleurs sehr beliebt. Um die Bedeutung dieser Kampagne aufzuzeigen, braucht man nur in die Geschichte zurückblicken: Erst das eigenständige Denken der Bürger und der Mut, eine eigene Meinung kundzutun, die sogar im Widerspruch zu den Herrschenden stand, dann die Organisation in Parteien, um diese Interessen zu vertreten. Zum Schluss folgte die Errichtung einer echten Demokratie und Meinungsfreiheit.
Fantastisch. Ist ja wirklich super, wie vielseitig die Geschichte einsetzbar ist! Hurra!
Ernsthafte Nachsätze:
Sollten die Plakate tatsächlich Anschuldigungen verbreiten, die vollkommen jeglicher Tatsachen entbehren, ist die Aktion natürlich unter der Gürtellinie und abzulehnen. (Insbesondere wenn sich herausstellen sollte, dass sie einer politischen Partei entstammte.)
Es gilt aber noch darauf hinzuweisen, dass Stadträtin und Tiroler Woche unter Umständen die Plakate - absichtlich oder unabsichtlich - völlig missgedeutet haben: Es wäre nämlich möglich, dass die Plakatierer nicht bewusst falsche Zitate der Stadträtin wiedergaben, sondern dass der Text vielmehr ihre eigenen Wünsche - die eben im Gegensatz zur Stadträtin stehen - ausdrückt.
Aber davon ganz unabhängig: Die Vermarktung des Aufklebens von Plakaten (mit aggressiven Aufschriften wie "Lieber Sozialbauten als Sicherheitszentrum Sieglanger" wohlgemerkt!) als totalitäre Hetzkampagne ist schlichtweg hirnrissig und lächerlich.
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Quelle: Johann Überbacher: "'Wehe wenn sie losgelassen'. Diffamierungen und Plakate sind der Anfang", in: Tiroler Woche, 32. Jg, Freitag 30. Mai 2008, S. 3.
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Folgendes ereignete sich im Innsbrucker Stadtteil Sieglanger: Unbekannte Täter plakatierten Aufnahmen von Stadträtin Christine Oppitz-Plörer (ÖVP-nahe Liste "Für Innsbruck") und unterstellten ihr einerseits, sie sei gegen ein Sicherheitszentrum und andererseits, sie sei gegen eine Bachverbauung - was aber, so Oppitz-Plörer, beides nicht der Wahrheit entspreche.
(Bild: meinbezirk.at / Stadtblatt Innsbruck)
Die Innsbruck-Ausgabe der "Tiroler Woche" verwertete diesen Vorfall auf ihrer Titelseite zum Aufhänger: "Hasskampagne gegen Stadtpolitiker. Hetzplakate gegen Oppitz-Plörer im Umlauf". Zusätzlich zum diesbezüglichen Artikel schwang sich wiederum auch Redaktionsleiter Johann Überbacher zu einer tiefgehenden gesellschaftspolitischen Analyse auf:
"Wehe wenn sie losgelassen". Diffamierungen und Plakate sind der Anfang
Familien- und Jugendstadträtin Christine Oppitz-Plörer ist über die Hetzkampagne entsetzt (vgl. Bericht Seite 5). Alle echten Demokraten müssen gegen diese Vorgangsweise auftreten, denn Plakate mit einem Konterfei und falschen Unterstellungen waren in totalitären Regimen jeglicher Couleurs sehr beliebt. Um die Schwere dieser Hetzkampagne aufzuzeigen, braucht man nur in die Geschichte zurückblicken: Zuerst Plakate und Diffamierungen, dann bestrichene Wände und eingeschlagene Fensterscheiben. Zum Schluss folgte das Attentat gegen Leib und Leben der Person. Was sich derzeit in Sieglanger abspielt, ist Innsbruck unwürdig. Die noch unbekannten Täter sollten rasch umdenken, denn Antidemokraten haben im 21. Jahrhundert nichts zu suchen [...] Dieser Vorfall sollte die Bewohner des Stadtteils im Westen mehr als rasch wachrütteln.
Sensationell. Ob sich das auch auf den Landtags-Wahlkampf anwenden lässt?
Alle echten Demokraten müssen gegen diese Vorgangsweise auftreten, denn Plakate mit einem Konterfei des Parteiführers und falschen Versprechungen waren in totalitären Regimen jeglicher Couleurs sehr beliebt. Um die Schwere dieser Wahlkampagnen aufzuzeigen, braucht man nur in die Geschichte zurückblicken: Zuerst Plakate und Propaganda, dann Gleichschaltung der Medien und Aufhebung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Zum Schluss folgte das Attentat gegen Leib und Leben der - politisch oder sonst irgendwie unliebsamen - Person. Was sich derzeit in Tirol abspielt, ist Österreich unwürdig. Die durchaus wohl (bzw. wahl-) bekannten Täter sollten rasch umdenken, denn Antidemokraten haben im 21. Jahrhundert nichts zu suchen [...] Dieser Vorfall sollte die Bewohner des Landes im Westen mehr als rasch wachrütteln.
Funktioniert ja wunderbar. Also: Stopp dem Wahlkampf?
Und jetzt vielleicht einmal positiv formuliert:
Alle echten Demokraten müssen diese Vorgangsweise unterstützen, denn Plakate mit öffentlich ausgedrückten Gedanken und Kritik war in westlichen Ländern jeglicher Couleurs sehr beliebt. Um die Bedeutung dieser Kampagne aufzuzeigen, braucht man nur in die Geschichte zurückblicken: Erst das eigenständige Denken der Bürger und der Mut, eine eigene Meinung kundzutun, die sogar im Widerspruch zu den Herrschenden stand, dann die Organisation in Parteien, um diese Interessen zu vertreten. Zum Schluss folgte die Errichtung einer echten Demokratie und Meinungsfreiheit.
Fantastisch. Ist ja wirklich super, wie vielseitig die Geschichte einsetzbar ist! Hurra!
Ernsthafte Nachsätze:
Sollten die Plakate tatsächlich Anschuldigungen verbreiten, die vollkommen jeglicher Tatsachen entbehren, ist die Aktion natürlich unter der Gürtellinie und abzulehnen. (Insbesondere wenn sich herausstellen sollte, dass sie einer politischen Partei entstammte.)
Es gilt aber noch darauf hinzuweisen, dass Stadträtin und Tiroler Woche unter Umständen die Plakate - absichtlich oder unabsichtlich - völlig missgedeutet haben: Es wäre nämlich möglich, dass die Plakatierer nicht bewusst falsche Zitate der Stadträtin wiedergaben, sondern dass der Text vielmehr ihre eigenen Wünsche - die eben im Gegensatz zur Stadträtin stehen - ausdrückt.
Aber davon ganz unabhängig: Die Vermarktung des Aufklebens von Plakaten (mit aggressiven Aufschriften wie "Lieber Sozialbauten als Sicherheitszentrum Sieglanger" wohlgemerkt!) als totalitäre Hetzkampagne ist schlichtweg hirnrissig und lächerlich.
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Quelle: Johann Überbacher: "'Wehe wenn sie losgelassen'. Diffamierungen und Plakate sind der Anfang", in: Tiroler Woche, 32. Jg, Freitag 30. Mai 2008, S. 3.
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relationes - 2008/06/01 15:23
Genau das